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Betreuungsrecht: Bei mangelnder Eignung des Ehegatten kann ein Betreuer auch gegen den Willen eingesetzt werden

Bundesgerichtshof, 07.08.2013, Az.: XII ZB 131/13

Die 84jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Demenz vom Alzheimer-Spättyp. Sie lebte bis Anfang 2012 mit ihrem 88jährigen Ehemann, mit dem sie seit 58 Jahren verheiratet ist, in der gemeinsamen ehelichen Wohnung. Vom 16. bis 23. Januar 2012 befand sich die Betroffene aufgrund ihrer Demenz und wegen häuslicher Konflikte in stationärer psychiatrischer Krankenhausbehandlung. Nach einem Sturz des Ehemanns am Abend des 8. März 2012, der zu einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt des Ehemanns in der chirurgischen Abteilung führte, wurde die Betroffene in den frühen Morgenstunden des 9. März 2012 nach Suiziddrohungen erneut in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses verbracht, in dem sie bereits im Januar aufgenommen worden war, und dort bis zum 23. April 2012 wegen Demenz behandelt. Von dort wurde die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung angeregt.

Später wurde sie für die Dauer von sechs Wochen geschlossen untergebracht und danach in anderen Pflegeeinrichtungen betreut, wo sie durch gerichtlich genehmigte unterbringungsähnliche Maßnahmen am Entweichen gehindert wurde.

Das Amtsgericht hat eine Betreuung für die Aufgabenkreise der Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherern, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Unterbringung sowie Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen eingerichtet und die Beteiligte zu 2 zur Berufsbetreuerin bestimmt.

Dagegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, mit der er geltend gemacht hat, er sei aufgrund seiner langjährigen Verbundenheit zur Betroffenen besser geeignet, ihre rechtlichen Interessen wahrzunehmen, als die Berufsbetreuerin. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulassungsfrei statthaft, auch wenn sich der Ehemann nicht gegen die Anordnung der Betreuung als solche, sondern nur gegen die gleichzeitige Auswahl des Betreuers wendet (vgl. Senatsbeschluss vom 15. September 2010 – XII ZB 166/10 – FamRZ 2010, 1897 Rn. 10). 2 2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar habe die Bestellung eines langjährigen Ehepartners gemäß § 1897 BGB grundsätzlich Vorrang gegenüber der Einrichtung einer Berufsbetreuung. Der Ehemann sei aber nicht geeignet, die rechtliche Betreuung zum Wohle der Betroffenen auszuüben. Er sei nicht in der Lage, die Demenzerkrankung der Betroffenen zu erkennen und zu akzeptieren, da er die vorliegende Erkrankung lediglich als altersbedingte Augenerkrankung einstufe und jegliche demenzielle Erkrankung leugne. Daher sei er auch nicht in der Lage, die sich aus der Erkrankung ergebenden Konsequenzen für eine ordnungsgemäße pflegerische Betreuung zu erkennen und Entscheidungen zum objektiven Wohl der Betroffenen zu treffen. Bei seinem Vorhaben, die Betroffene zu sich nach Hause zu holen, schätze er den Pflegebedarf falsch ein und verkenne die Notwendigkeit besonderer Schutzvorkehrungen gegen die Weglauftendenzen der Betroffenen. Diese sei außerhalb ihres bekannten Betreuungsumfeldes hilflos und deshalb auf eine beaufsichtigende Umgebung angewiesen.

3. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung rechtsfehlerfrei festgestellt. Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

b) Schlägt der volljährige Betroffene eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Ein solcher Vorschlag erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder 7 Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010 – XII ZB 165/10 – FamRZ 2011, 285 Rn. 14).

Schlägt der volljährige Betroffene niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Volljährigen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 5 BGB).

Die Betroffene hat in ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht auf die Frage, wer sich um ihre Angelegenheiten kümmere, angegeben, das mache ihr Mann. Einmischung von außen bräuchten sie nicht, es sei alles geregelt. Diese Äußerung kann als gestufter Vorschlag verstanden werden, möglichst von der Einrichtung einer Betreuung abzusehen, weil alles geregelt sei, hilfsweise anstelle einer “Einmischung von außen” den Ehemann als Betreuer zu bestellen, der die Angelegenheiten schon bisher geregelt habe.

Zu Recht hat daher das Landgericht am Maßstab des § 1897 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 BGB geprüft, ob eine Betreuung durch den Ehemann dem Wohl der Betroffenen zuwiderläuft.

c) Zwar steht dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers im Fall des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB kein Ermessen zu. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht. Der Wille des Betreuten kann aber dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene 11 die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Senatsbeschlüsse vom 10. November 2010 – XII ZB 355/10 – FamRZ 2011, 100 Rn. 4 und vom 15. September 2010 – XII ZB 166/10 – FamRZ 2010, 1897 Rn. 20; vgl. auch BVerfGE 33, 236, 238 f.).

Das Beschwerdegericht hat ausführlich dargelegt, warum eine Bestellung des Ehemanns zum Betreuer dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde. Gegen diese Ausführungen, die durch das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt werden, ist nichts zu erinnern. Die Feststellungen des Beschwerdegerichts rechtfertigen es, im vorliegenden Fall bei der Auswahl des Betreuers von einer Bestellung des Ehemanns abzusehen. Unter den gegebenen Voraussetzungen verletzt die getroffene Entscheidung auch nicht die Menschenwürde (Art. 1 GG) und das Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK). 15 Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Quelle: Bundesgerichtshof