IMPRESSUM

Betreuungsrecht: Zur Haftung des Betreuers im Grenzbereich der Vermögenssorge und Aufenthaltsbestimmung

AG Saarbrücken, 12.12.2013, Az.: 121 C 194/13 (09)

1. Die Parteien streiten um Ansprüche aus Betreuerhaftung wegen Tätigkeiten des Beklagten als Betreuer der Frau S im Mai 2009. Der Kläger ist Neffe und Erbe der am 14.05.2009 verstorbenen Frau S. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und Berufsbetreuer.

Ausweislich der Akte 10 XVII (S) 370/05 stand Frau S im streitgegenständlichen Zeitraum unter Betreuung. Zu diesem Zeitpunkt waren der Beklagte für den Aufgabenkreis Vermögenssorge und die Streitverkündete und Schwester des Klägers, Frau Sigrid S, für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge als Betreuer durch das zuständige Amtsgericht Saarbrücken ordnungsgemäß bestellt.

Frau S lebte zuletzt in der Stiftung S. Altenwohnstift, K. Str. 43, … S.. Am 06.04.2009 ließ die Schwester des Klägers die Betreute in das P. M. Hospiz verlegen, ohne sich mit dem Beklagten abzusprechen oder diesen hiervon in Kenntnis zu setzen. Der Beklagte erhielt am gleichen Tag durch Zufall Kenntnis von der Verlegung der Betreuten, da er von der Stiftung S. Altenwohnstift angerufen und darauf hingewiesen wurde, dass Frau S verlegt worden sei, jedoch keine Kündigung des Heimvertrages vorläge. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Betreute organisierte der Beklagte daraufhin, dass der Heimvertrag zum Ablauf des Monats April 2009 beendet werden konnte. Hierüber war die Streitverkündete informiert.

Um eine Räumung des Appartements der Betreuten kümmerte sich der Beklagte in der Folge nicht selbst. Mit Faxschreiben vom 16.04.2009 forderte die Streitverkündete den Beklagten auf, für die Räumung des Appartements zu sorgen. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 17.04.2009 mit der Begründung ab, dass ihm lediglich die Vermögenssorge übertragen sei, welche die Regelung von Mietund Wohnangelegenheiten jedoch nicht beinhalte.

Eine Räumung wurde durch den Beklagten nicht veranlasst mit der Folge, dass das Appartement nicht bereits zum Monat Mai hin neu vermietet werden konnte. Die Stiftung S.

Altenwohnstift stellte dem Beklagten mit Rechnung vom 06.05.2009 Mietkosten für den Monat Mai 2009 i.H.v. 1.053,19 Euro in Rechnung.

Der Kläger macht als Erbe und alleiniger Rechtsnachfolger der Betreuten den Betrag von 1.053,19 Euro als Schadensersatz gegen den Beklagten geltend. Der Versuch des Klägers, seine Forderung durch Aufrechnung mit der Betreuerentschädigung des Beklagten zu verrechnen, scheiterte.

2. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Heimvertrag gekündigt. Er ist der Ansicht, der Beklagte sei auch für die rechtzeitige Räumung des Appartements der Betreuten verantwortlich gewesen. Die ordnungsgemäße Abwicklung des Heimvertrages und die damit verbundene Räumung seien in den Pflichtkreis des Beklagten gefallen. Er sei verpflichtet gewesen, notfalls bei dem Betreuungsgericht die Erweiterung seines Aufgabenkreises anzuregen.

Er beantragt, der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.053,19 Euro zu zahlen, nebst Zinsen i.H.v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

3. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, eine schriftliche Kündigung sei, soweit der Beklagte wisse, überhaupt nicht erfolgt. Der Beklagte habe sich mit der Heimleitung darauf verständigt, den Heimvertrag bereits für Ende April 2009 zu beenden. Er erhebt die Einrede der Verjährung.

4. Der Kläger hat seiner Schwester Frau Sigrid S den Streit verkündet. Die Streitverkündungsschrift wurde ihr zugeleitet. Am 05.11.2013 teilte sie dem Gericht, dort eingänglich am 06.11.2013, mit, dass sie dem Rechtstreits nicht beitreten werde.

Auf die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten aus § 1833 BGB. Nach der Vorschrift ist der Vormund dem Mündel für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt. Eine Pflichtverletzung offenbart der Vortrag der Klägerseite jedoch nicht.

a) Das dem Beklagten vorgeworfene Unterlassen einer (tatsächlichen) Räumung des Zimmers vor Mai 2009 im Altenwohnstift fällt schon nicht in den Pflichtenkreis des Beklagten, der lediglich die Vermögenssorge innehatte.

Der Betreuer kann nach § 1833 BGB schon im Grundsatz nur haften, soweit ihm eine bestimmte Pflicht oblag: Denn ohne Pflicht kann es auch keine Pflichtverletzung geben. Die Bestellung durch das Betreuungsgerichts ist konstitutiv für die Entstehung der Pflicht. Der Pflichtenkreis des Betreuers reicht folglich nur soweit, wie seine Bestellung durch das Betreuungsgericht. Wie sich aus § 289, 290 FamFG ergibt, wird ein Betreuer nicht allgemein, sondern für einen bestimmten Aufgabenkreis bestellt (§ 1901 Abs. 4 BGB). Aus § 1899 BGB ergibt sich weiterhin, dass bei mehreren Betreuern, wie im vorliegenden Fall, das Gericht bestimmt, welcher Betreuer mit welchem Aufgabenkreis betraut wird (vgl. § 1896 Abs. 2 BGB).

Die Pflicht zur Räumung eines von dem Betreuten selbst bewohnten Zimmers in einem Altenwohnheim fällt nicht unter die Vermögenssorge. Mangels betreuungsgerichtlicher Bestellung für den Bereich der Aufenthaltsbestimmung hatte der Beklagte folglich schon nicht die Pflicht, eine Wohnungsauflösung herbei zuführen.

Dem Beklagten oblag durch die Bestellung des Amtsgerichts die Vermögenssorge. Die Vermögenssorge umfasst Mietangelegenheiten jedoch nur, soweit nicht § 1907 betroffen ist (Bundestagsdrucksache 11/4528 S. 70., vgl. Diederichsen in Palandt, 70.A. § 1896 Rn. 22). § 1907 Abs. 1 und 2 BGB umfassen alle Handlungen, welche einer Kündigung eines Wohnverhältnisses entsprechen oder tatsächlich dazu führen können, dass der Wohnraum nicht mehr für die Betreute zur Verfügung steht. Die tatsächliche Auflösung der eigenen Wohnung fällt damit unter § 1907 BGB; dass es sich bei der Wohnung um einen Platz in einem Altenwohnheim handelt, ist dabei irrelevant.

Dem entgegen ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht, welches nicht dem Beklagten, sondern der Zeugin S. übertragen war, so auszulegen, dass es auch die Umstellung der häuslichen Pflege auf die Pflege in einem Heim erfasst (vgl. Bayr.OLG FamRZ 1992, 108), dies einschließlich des Abschlusses des Heimvertrages (AG Siegburg, BtBrax, 08229). (vgl. Diederichsen in Palandt, 70.A., § 1896 Rn. 18).

Der gesamte Regelungsbereich des § 1907 BGB zählt zum Aufgabenkreis des mit für das Aufenthaltsbestimmungsrecht bestellten Betreuers. Hierzu zählt insbesondere die Wohnungsauflösung (Diederichsen in Palandt, 70 A., BGB, § 1907, Rn. 1). Die gegenständliche Auflösung des Platzes im Altenwohnheim fällt ebenso darunter.

Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass spätestens auf der Stufe des Verschuldens ein Anspruch ebenfalls scheitern würde. Denn der Schadenseintritt war für den Beklagten auf keinen Fall vermeidbar. Gem. § 1907 BGB bedarf die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum, den der Betreute gemietet hat, der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Gleiches gilt für die Wohnungsauflösung. (Diederichsen a.a.O.). Die Stellung des entsprechenden Antrages nach § 1907 BGB ist dem für Aufenthaltsbestimmung vorgesehenen Betreuer vorbehalten. Nur er darf letztlich die Kündigung herbeiführen und eine Wohnungsauflösung durchführen. Die Genehmigung hierfür hat er sich beim Betreuungsgericht gem. § 1907 Abs. 1 BGB einzuholen. Ohne Genehmigung konnte der Beklagte folglich die Wohnungsauflösung nicht durchführen. Antragsbefugt hierfür war die Zeugin S.

b) Sonstige Pflichtverletzungen des Beklagten kamen nicht in Betracht. Insbesondere war die zuständige Betreuerin durch den Beklagten rechtzeitig informiert worden. Er hat damit alles getan, was von ihm als Betreuer im Bereich der Vermögenssorge verlangt wird. Ihm kann eine Pflichtverletzung im Hinblick auf Informationspflichten zum Schutz der Betreuten auch nicht vorgeworfen werden.

c) Letztlich sieht das Gericht vor dem Hintergrund der Genehmigungsbedürftigkeit der Wohnungsauflösung auch nicht, dass vorliegend überhaupt eine Pflichtverletzung eines Betreuers in Betracht käme. Das wäre nur der Fall, wenn die Stellung eines Antrages nach § 1907 BGB überhaupt zwingend geboten gewesen wäre. Auch das Gericht hätte einem Antrag nach § 1907 BGB nur zustimmen können, wenn dies erkennbar dem natürlichen Willen der Betreuten entspräche oder wenigstens im unabweisbaren Interesse der Betreuten gelegen hätte. Die Klägerseite hat sich aber nicht dazu verhalten, ob die Verlegung in das Hospiz in der Situation der Betreuten ex ante als irreversibel einzuschätzen war und ob die Betreute der Wohnungsauflösung zugestimmt hatte oder wohin ihr natürlicher Wille ging, sofern sie noch einen solchen bilden konnte. Darüber hinaus mag es für den Betroffenen auch trotz objektiv irreversibler ärztlicher Prognose schon aus psychologischen Gründen wichtig sein, dass ein Ort außerhalb des Hospizes existiert, an den eine Rückkehr denkbar erschiene. Das erkennende Gericht neigt insoweit dazu, diese unabweisbaren Interessen und Bedürfnisse der Betreuten höher zu gewichten als ihr mögliches Interesse daran, Erbmasse

2. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Insbesondere greift § 823 Abs. 1 BGB mangels Verletzung eines dort umschriebenen Rechtsgutes nicht ein, § 823 Abs. 2 BGB scheitert, da eine Verletzung eines Schutzgesetzes nicht ersichtlich ist.

Auch vertragliche Ansprüche zwischen dem Kläger ggfs. auch als Rechtsnachfolger der Betreuten gegenüber dem Beklagten sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711, 7

Quelle: Amtsgericht Saarbrücken